Für die meisten Menschen außerhalb Japans ist das, was sie über die Geschichte des Inselreiches im fernen Osten wissen, aus Bruchstücken älterer und kontemporärer Spielfilme zusammengesetzt. Die Serie „Shogun“ von James Clavell brachte erstmals Optik und Kultur des alten Japan auf den Bildschirm und ins Gespräch. Und der Film „Last Samurai“ von Tom Cruise setzte das Ende der Kriegerkaste der Samurai zuletzt sehr aufwändig in Szene. Doch wie viel Wahrheit steckt in diesen Erzählungen und was ist davon heute noch in der kulturellen DNA Japans zu finden?
Die Geschichte Japans ist die Geschichte der Samurai.
Die Samurai sind die adeligen Mitglieder des japanischen Kriegerstandes und Gefolgsleute eines Lehnsherrn und somit dem Ritterstand des europäischen Mittelalters nicht unähnlich. Sie unterscheiden sich von ihren europäischen Gegenstücken vornehmlich durch den komplexen Ehrenkodex der Samurai, dem Bushidō.
Die streitenden Reiche.
Zum Ende des europäischen Mittelalters bildeten sich auch in Japan erstmals nach der Frühzeit wieder dominierende Strukturen aus. Großfürsten, die Daimyo, setzten ihren Landbesitz und ihre militärische Macht ein, um die über 200 anderen feudalen Familien in ihren Einflussbereich zu bringen. Diese „Zeit der streitenden Reiche“ ist in etwa die Epoche in der auch der Navigator Blackthorne in der historisch angelehnten Geschichte von James Clavell Japan erreicht. Die im Shogun-Roman beschriebenen Fürsten entsprechen den realen Vorbildern der um die Vorherrschaft streitenden Fürsten Tokugawa Ieyasu und Ishida Mitsunari.
Sekigahara – der Beginn der Edo-Periode.
Mit der Schlacht von Sekigahara, in der die Armee von Ishida den Truppen der Tokugawa unterlag, begann die Edo-Zeit. So bezeichnet man die Periode der japanischen Geschichte von 1603 bis 1868 in der die Tokugawa-Shogune herrschten. Mit einer Dauer von 250 Jahren ist sie die längste Friedenszeit, die das Land der aufgehenden Sonne erleben durfte.
Während diese Zeit schottete sich Japan, das zuvor mit den Portugiesen Handel getrieben hatte, völlig ab. Die Ständegesellschaft sorgte für ein geordnetes Leben nach konfuzianischen Regeln. Wobei die Samurai als Krieger und Regierungsbeamte, gefolgt von den Bauern, den höchsten Stellenwert genossen.
Der Aufstieg des Bürgertums. Das Ende der Samurai.
Der lang andauernde Frieden sorgte für eine Blüte der Kunstfertigkeit und des damit verbundenen Handels. Handwerker und Händler gelangten zu Wohlstand und damit auch zu mehr Macht. Die Schmiede erschufen immer kunstvollere Katana (Schwerter) und die Schneider, Holzhandwerker und Künstler standen ihnen in nichts nach. Die Samurai hingegen, die von ihren Lehnsherren mit Reis entlohnt wurden, hatten wirtschaftlich eher das Nachsehen. Ihr Bedürfnis, sich mit diesen hochwertigen und teuren Konsumgütern zu schmücken, stand auf Dauer im Gegensatz zu ihrer hohen Anzahl und dem individuellen Einkommen der Mehrzahl der Samurai.
Beginn der Kaiserzeit 1868-1945. Abschaffung der Stände.
Die vergleichsweise geordnete und friedliche Edo-Zeit endete im Chaos. Ausländische Mächte drängten Japan zur Öffnung des Landes, der Großteil der Samurai war hoch verschuldet und es kam zu Bauernaufständen. In der Folge wurde das Shogunat abgeschafft und der Kaiser übernahm, nach einigen Wirren, als Souverän die Bildung einer Regierung. In den 1870er Jahren schaffte die Regierung die Ständegesellschaft ab, führte eine allgemeine Wehrpflicht ein, ratifizierte eine Verfassung und übernahm das Bürgerliche Gesetzbuch Deutschlands quasi 1 zu 1. Die Wiedereinführung der Kaiserherrschaft und die Neuorganisation des Landes in dieser Epoche markieren Japans Eintritt in die Moderne. Tom Cruises Film „The Last Samurai“ zeigt eine detailreiche, wenn auch romantisch verklärte Version dieser Geschichte.
Ein ganzer Handwerksstand orientiert sich neu.
Am feudalen Stand der Samurai hing die Arbeitskraft eines ganzen Volkes. Reisbauern, Holzhandwerker und nicht zuletzt ganze Viertel voller Schwertschmiede, Schwertschleifer, Scheiden- und Rüstungsbauer mussten mir der wirtschaftlichen Öffnung und dem gesellschaftlichen Wandel klarkommen. Die Kunstfertigkeit dieser sehr spezialisierten Fachleute fand neue Nischen. Der weltweite Ruhm japanischer Scheren, Rasiermesser und Holzwerkzeuge entstammt diesem Umstand. Ganze Regionen, beispielsweise die Messerschmiede auf der Insel Seki, verlegten sich damals auf die Herstellung feinster Schneideprodukte – und sind noch heute die anerkannte Weltspitze.
Kolonialismus, Imperialismus und die Kriege.
Nach dem Übergang in die Moderne emanzipierte sich Japan von westlichen Vertragspartnern und verfolgte eigene Großmachtbestrebungen. Mit kolonialen Ansprüchen in Korea und der Mandschurei tat es Japan den imperialen Mächten Europas gleich und setzte auf militärische Expansion. Während des ersten Weltkrieges schlug sich Japan auf die Seite der Alliierten, um seine Position in Südostasien auszubauen. In den 1920er Jahren drängten nationalistische Kräfte an die Macht. In Kombination mit der Weltwirtschaftskrise und Naturkatastrophen wie der Zerstörung Tokios durch ein Erdbeben 1923 – entstand auch in Japan ein nationalistisch geprägter Militarismus.
Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges.
Vom Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 bis zur Kapitulation im Jahre 1945 war auch Japan aktiver Teil der Jahrhundertkatastrophe, die wir heute den Zweiten Weltkrieg nennen. Die Kämpfe zwischen kaiserlicher Marine, Armee und Luftwaffe und den Kräften der Alliierten gehören zu den erbittertsten und leidensreichsten Kapiteln der Geschichte. Das Leid der Zivilbevölkerung auf allen Seiten ist kaum abzuschätzen. Millionen Opfer, zerstörte Städte, verwüstete Landstriche in ganz Südostasien und letztlich auch in Japan waren die Folgen.
Besatzungszeit und Neuanfang.
Bis 1952 befand sich Japan unter de facto amerikanischer Besatzung. Die Potsdamer Verträge reduzierten das Staatsgebiet wieder auf die japanischen Hauptinseln. Zwar wurde das Kaisertum beibehalten aber eine Verfassung, in der Demokratie und Frieden die zentralen Staatsziele sind, wurde eingeführt. Eine Entmilitarisierung und die Reduzierung der Armee auf Selbstverteidigungskräfte waren die direkte Folge. Seit Mitte der 1950er Jahre normalisierten sich die internationalen Beziehungen langsam und der Aufstieg Japans als Exportnation begann.
Auferstehung aus Ruinen.
Entgegen aller Widrigkeiten bewiesen viele Japaner, darunter auch Panasonic-Gründer Konosuke Matsushita, dass der unbedingte Wille zu Präzision und Erfolg auch in der neuen Zeit Früchte tragen sollte. In den Branchen Automobil- und Schiffbau sowie Elektronik erwiesen sich japanische Firmen als besonders innovativ und effizient. Heute ist die Marke Panasonic, und der Konzern dahinter, mit seinen Produkten in vielen Lebensbereichen der Menschen aller Kontinente präsent. Und die unbedingte Hingabe und der Wille zur Präzision ist in unseren friedlichen Produkten und nützlichen Innovationen heute noch sich sichtbar, wie in den kunstvoll geschmiedeten Schwertern von einst.