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LUMIX S5 Fotostory: Flippers Elend

Gefährliches Paradies in den Straßen von Gibraltar

LUMIX S5 Fotostory: Flippers Elend

Die TV-Serie «Flipper» begeisterte Autorin Karin Aebersold in ihrer Kindheit. Was sie als Erwachsene über Dressur und Haltung der Meeressäuger erfuhr, schockierte sie. Darum machte sie sich auf in die Strasse von Gibraltar, um dank einer Stiftung zum Schutz  von Meeressäugern und deren Lebensraum mehr über die faszinierenden Tiere zu erfahren. 

LUMIX S5 Fotostory – Flippers Elend

Autorin Karin Aebersold mit ihrer LUMIX S5

Flipper war der Held meiner Kindheit – dieser süsse Delfin aus der US-amerikanischen TV-Serie der 1960er-Jahre. Keine Folge durfte ich verpassen. Immer um 17 Uhr sass ich vor dem Fernseher und war gespannt, wie es weitergeht.

Darum haben es mir Delfine wohl angetan. Schon immer war es ein Kindheitstraum, diesen intelligenten Wesen mal ganz nahe zu sein, sie zu berühren oder sogar mal mit ihnen zu schwimmen. Ich fing an, mich intensiver mit Delfinen zu beschäftigen. Und je mehr ich nach Informationen zu den Tieren suchte, umso mehr stieß ich auf traurige Geschichten. Etwa, dass für die «Flipper»-Serie sechs Delfine qualvoll starben. Der heute 83-jährige Richard O’Barry, der die Tümmler in den Sechzigerjahren im Miami Seaquarium für die TV-Serie dressiert hatte, wechselte deshalb in den 1970er-Jahren die Seite und kämpft seither als Tierschutzaktivist gegen Delfinshows und -therapien sowie den kommerziellen Fang der Meeressäuger.

Der ehemalige Delfintrainer berichtete 2008 im «Tagesspiegel» über den Delfinfang: «Da treiben Jäger vom Walfangmuseum im japanischen Taiji hunderte Tiere in eine Bucht, Show-Delfintrainer ‹suchen die besten aus›.» Die übrigen werden mit Stangen abgestochen, das Meer verfärbt sich blutrot. «Flipper, das waren eigentlich sechs Tiere in einem kleinen Salzwassersee. Kathy, das am meisten eingesetzte Weibchen, nahm sich auf eine für Delfine typische Art sozusagen das Leben: Es stellte die Atmung ein», so O’Barry weiter. Als Flipper-Trainer hatte O’Barry einst selber Delfine gefangen, das lasse ihn nicht mehr los.

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Die Haltung in Gefangenschaft ist für die Meeresbewohner problematisch. Zwar wurden deswegen in Europa mittlerweile viele Delfinarien geschlossen, doch laut Whale and Dolphin Conservation (WDC) werden in der EU noch immer über 30 Delfinarien mit rund 300 Walen und Delfinen betrieben. Doch kein europäisches Delfinarium habe je einen Wal oder Delfin ausgewildert und damit einen Beitrag zur Arterhaltung geleistet. WDC fordert darum die Schliessung der verbliebenen Delfinarien und dass keine neuen bewilligt werden.

Je mehr ich mich mit der Problematik der in Gefangenschaft lebenden Meeressäuger befasste, desto betroffener wurde ich – und sah meinen Kindheitshelden Flipper mit anderen Augen. Das ist wohl der Grund, warum ich in der Stadt Tarifa in der südspanischen Provinz Cádiz gelandet bin. Dort nämlich lebt Katharina Heyer, eine Zürcherin, die ihr Leben als Designerin aufgab, um sich den Delfinen und Walen zu widmen. Mit ihrer Stiftung firmm – foundation for information and research on marine mammals – erforscht sie in Zusammenarbeit mit Meeresbiologen Meeressäugetiere, um sie besser zu schützen.

Ohne grosse Erwartungen treffe ich im September 2021 in Tarifa ein, im südlichsten Zipfel von Spanien. Hier treffen Welten aufeinander: die Strasse von Gibraltar mit ihren riesigen Frachtschiffen, das kleine Hippiestädtchen und der kilometerlange Strand mit seinem türkisfarbenen Wasser.

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Tarifa ist einer der weltweiten Hotspots fürs Kitesurfen und liegt an der Meerenge von Gibraltar. Bei klarer Sicht geht der Blick hinüber bis zur marokkanischen Küste, die nur 14 km entfernt liegt.

«Kitesurfer», die waghalsigen Luftakrobaten

Um die Gegend zu erkunden, gehe ich als Erstes ans Meer. Vom Strand aus ist der afrikanische Kontinent zu sehen. Nur 14 Kilometer trennen hier Spanien von Marokko. Ich gehe zum äussersten Aussichtspunkt auf der «Isla de las Palomas» hinaus, die über einen geteerten Dammweg mit dem Festland verbunden ist. Links von mir sehe ich das Mittelmeer und rechts den Atlantik, die hier in der Enge von Gibraltar aufeinandertreffen. Somit herrscht an diesem Ort ein einmaliges Ökosystem, weshalb sich auch etliche Delfine, Pottwale, Grindwale und Orcas in diesen Gewässern aufhalten.

Meine Haare wirbeln mir wild ins Gesicht. Ich kann mein Handy kaum halten, so sehr stürmt es. Auf Wind war ich halbwegs gefasst. Aber seine Heftigkeit übertrifft meine Vorstellungen.

Kein Wunder, dass es so viele Surfer nach Tarifa zieht, der Surfhauptstadt Spaniens und Windhauptstadt Europas. Es bläst fast immer heftig in Tarifa. Fast die Hälfte des Jahres wehen Winde, die auch Orkanstärke erreichen.

Über den Dünen kreisen die Kitesurfer in schwindelerregender Höhe. Ich schnappe mir meine Kamera, eine Lumix S5, suche einen halbwegs windstillen Ort neben einem Felsen und beobachte diese waghalsigen Luftakrobaten. Eines ist sicher: Falls ich keine Delfine zu Gesicht bekomme, knipse ich wenigstens adrenalingeladene Bilder über dem Meeresspiegel.

LUMIX S5 Fotostory – Flippers Elend

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Emotionale Begegnung

Am nächsten Tag hat sich der Wind gelegt, und Katharina Heyer kann die Bootstour für Touristen durchführen. Das Einschiffungsbüro befindet sich am Hafenquai. Bevor wir an Bord gehen, werden alle Touristen über Entstehung und Ziele der Stiftung firmm sowie über die verschiedenen Walarten informiert.

Pünktlich fährt das Schiff aus. Vorne am Bug warte ich gespannt mit meiner Kamera in der Hand.

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Autorin Karin Abersold mit Katharina Heyer vor der Abfahrt am Hafen von Tarifa

Wir sind nun schon eine halbe Stunde unterwegs, aber von Delfinen und Walen ist nichts zu sehen. Ich schaue hinauf zu Katharina Heyer, die auf dem oberen Deck mit Biologen Ausschau nach den Meeressäugern hält. Auf einmal heisst es: «9 Uhr, Streifendelfine gesichtet!» Alle Köpfe drehen sich nach links. Wie uns vorher erklärt wurde, kann man sich am Ziffernblatt einer Uhr orientieren, wo sich die Tiere aufhalten. Und tatsächlich nähert sich ein Riesenschwarm Streifendelfine unserem Schiff. Und dann sind wir plötzlich mitten im Schwarm. Sie springen vergnügt vor uns her, unter dem Schiff durch und flitzen auf der anderen Seite wieder hoch. Sie scheinen sehr vertraut mit den Schiffen zu sein, und es wirkt, als wäre es ein Spiel für sie, mit uns mitzuschwimmen. Fasziniert von dem Spektakel, schiesse ich ein Foto nach dem anderen und freue mich über die wilden Luftsprünge der Tiere.

LUMIX S5 Fotostory – Flippers Elend

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Nach einer Weile verschwindet der Schwarm im tiefen Blau. Wir fahren Richtung Marokko weiter, die ersten grossen Frachtschiffe ziehen an uns vorbei. Wie riesige Monster aus Metall bewegen sie sich langsam fort. Wie firmm berichtet, sind es mittlerweile mindestens 300 Frachtschiffe, die in der Meerenge von Gibraltar täglich ein- und ausfahren. Wie halten die sensiblen Meeressäuger den starken Verkehr und den Lärm wohl aus? Leider komme es auch immer wieder vor, dass sich die Meeressäuger an Schiffsschrauben schwer verletzen.

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Und dann, auf 3 Uhr: Grindwale. Alle Köpfe drehen sich nach rechts, blitzschnell taucht vor uns ein Rudel Grindwale auf.

Natürlich versuche ich wieder, so viele Fotos wie möglich zu machen. Doch so schnell, wie sie auftauchen, sind sie auch schon wieder weg, und auf den Fotos ist meistens nur noch die Schwanzflosse zu sehen. Ein Grindwal streckt kurz den Kopf aus dem Wasser und schaut uns an. Was er wohl über uns denkt?

Ein Stück weiter begegnen wir noch einigen Tümmlern. Der Grosse Tümmler wird bis zu vier Meter lang und zählt wohl zu den bekanntesten Delfinen. Auch dank der TV-Serie «Flipper».

Im Rahmen ihrer Forschungsarbeit zeichnen Katharina Heyer und ihr Team alle Daten jeder Sichtung auf. Die Erkenntnisse daraus sind laut Katharina leider sehr bedenklich, denn die Gruppengrösse der Tümmler verringere sich von Jahr zu Jahr. Auch die Orcas, die normalerweise im Frühjahr durch die Strasse von Gibraltar ziehen, bleiben vermehrt aus. Der Grund dafür sei, dass sie keine Nahrung mehr finden. Der stark überfischte Thunfisch ist die Hauptnahrungsquelle der Orcas und kommt in der Strasse von Gibraltar kaum noch vor. Der weltweite Sushitrend verschärft die Problematik. Grund genug für mich, seither auf Sushi zu verzichten.

Katharina Heyer und ihr Team halten stets auch alles fotografisch fest, um mehr über die Meeressäuger zu erfahren. Insbesondere über das Verhalten der Grindwale konnte sich Katharina Heyer so ein umfangreiches Wissen aneignen. Haupterkennungsmerkmal einzelner Grindwale ist die Form ihrer Rückenflosse, die als Finne bezeichnet wird. Aber auch Narben und sichtbare Verletzungen ermöglichen es, einzelne Tiere zu erkennen.

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Mindestens 300 Frachtschiffe fahren in der Meerenge von Gibraltar täglich ein und aus.

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Leider passiert es immer wieder, dass sich die Tiere an den Schiffsschrauben schwer verletzen. Das Bild zeigt die Wunde eines von Katharina Heyer gut bekannten Grindwals namens Curro. (Foto: «firmm»)

 

Die Stiftung firmm beobachtet die Wale und Delfine in der Strasse von Gibraltar nun seit 1998. Die Bewegungsmuster der Tiere je nach Tageszeit und Gezeiten sind bekannt – alles ohne invasive Forschungsmethoden, wie zum Beispiel die Tiere mit Sendern auszustatten. Einige Wale und Delfine begleiten Katharina Heyer schon seit mehreren Jahren und haben inzwischen Namen von ihr bekommen. Sie weiss, zu welcher Gruppe sie gehören, und kennt ihr Verhalten und die Familienstrukturen.

Insgesamt viermal bin ich mit Katharina Heyer und ihrem Team der Stiftung firmm aufs Meer hinausgefahren, und jedes Mal war ich beeindruckt, jede Ausfahrt war ein unvergessliches Erlebnis.

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Was ich in der Strasse von Gibraltar über die Bedrohung der Meeressäuger und die Problematik der Überfischung erfahren habe, hat mich nachdenklich und zugleich traurig gemacht. Diese Erkenntnisse sind mir aber auch Motivation, mit Rücksicht auf Natur und Umwelt nicht mehr zeitgemässe Essgewohnheiten über Bord zu werfen.

Stiftung firmm – foundation for information and research on marine mammals

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Die Stiftung firmm engagiert sich für den Schutz von Meeressäugern und deren Lebensraum. Durch respektvolles Whalewatching schafft die Stiftung in Tarifa Begegnungsmöglichkeiten zwischen Mensch und Tier, ohne dass die Meeressäuger dabei gestört werden.

Frei nach dem Motto des österreichischen Zoologen und Verhaltensforschers Konrad Lorenz (1903–1989):Nur was wir kennen, können wir lieben und sind wir bereit zu schützen.

Mehr Infos: firmm.org

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In der Straße von Gibraltar sind Gestreifte Delfine (Stenella coeruleoalba) noch recht zahlreich vertreten. Besonders grossen Schulen begegnet man in der zweiten Sommerhälfte – gegen August nehmen sowohl Gruppengrösse wie auch die Sichtungswahrscheinlichkeit zu. Die meisten Neugeborenen gibt es im Mai und im August.

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In der Straße von Gibraltar kommt der Gewöhnliche Grindwal (Globicephala melas) vor. Die Tiere haben hier mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen, der Bestand ist seit Beginn der Aufzeichnungen von firmm 1999 bis heute um die Hälfte geschrumpft. Neben der MorbillivirusEpidemie von 2007 bedeuten auch der 2008 fertiggestellte Hafen Tanger Med und das saisonale Auftreten der Orcas enormen Stress für die Grindwale.